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2016: Pfarrer Dr. Mitri Raheb aus Bethlehem erhält den Olof-Palme-Preis

Im Juni 2015 in der Philippuskirche ra,6

Meldung vom 7.1.16


Der Olof-Palme-Preis 2015 geht an den palästinensischen Pfarrer Dr. Mitri Raheb und den israelischen Journalisten Gideon Levy für ihren mutigen und unermüdlichen Kampf gegen Besetzung und Gewalt und für einen Nahen Osten, der in Zukunft durch friedliches Zusammenleben und Gleichheit für alle geprägt werden soll. Mit ihrer Arbeit erzeugen sie einen Funken Hoffnung inmitten eines Konflikts, welcher Millionen von Menschen plagt und weiterhin plagen wird und den Weltfrieden gefährdet.

Als Prediger und Pfarrer in der evangelischen Kirche vermittelt Mitri Raheb eine eindeutige Botschaft an die junge Generation der Palästinenser: „Wir wollen nicht, dass ihr für Palästina sterbt, sondern dass ihr für Palästina lebt.“ Im von drei Seiten durch die israelische Besatzungsmacht ummauerten Bethlehem hat Raheb die Dar al-Kalima Fachhochschule für Kunst und Kultur gegründet, die innovative künstlerische Ausbildungen für Film, Kunst und Schauspiel anbietet. Dadurch hat er jungen Menschen ermöglicht, ihre palästinensische Identität zu erforschen, Schönes zu kreieren, und in eine lebensbejahende Kultur zu investieren, die als Mittel für einen kreativen Widerstand gegen die erstickende Einengung und für die Nationsbildung dienen.


Durch seine passionierte Wahrheitssuche und seinen furchtlosen Glauben an den Sieg der Vernunft in einer Region, die von Vorurteilen, Gewalt, Propaganda und Desinformationen geplagt ist, setzt sich Gideon Levy für Frieden und Versöhnung ein. Als Kind von Eltern, die aus der nationalsozialistisch besetzen Tschechoslowakei vertrieben wurden, und als wahrer Patriot, hat er sich die Versöhnung mit den Palästinensern zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Trotz andauernder Kritik und Morddrohungen will Gideon Levy an Israels moralische Blindheit gegenüber der Folgen von Krieg und Besetzung erinnern, welche er als Gefahr für Israel selbst sieht.

Rede bei der Verleihung

Liebe Frau Lisbeth Palme, ich danke Ihnen für Ihre freundlichen und starken Worte.

Exzellenzen, liebe Freunde, meine Damen und Herren,

es ist mir wirklich eine Ehre, an diesem Tag mit Ihnen zu sein, an dem ich den Olof-Palme-Preis erhalte. Ich habe bereits mehrere renommierte Auszeichnungen erhalten, aber diese liegt mir besonders am Herzen. Dieser Preis ist einmalig, weil er den Namen ‚Olof Palme‘ trägt, einer der mutigsten Politiker in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er wagte es, sich gegen ein Weltreich zu stellen. Er war ein visionärer Führer, der wusste, dass die Apartheid nicht toleriert werden soll und dass der Ruf nach Befreiung in vielen Ländern im Süden des Erdballs gehört und unterstützt werden soll.

Mit großer Freude nehme ich diesen Preis hier in Schweden an, ein Land, das seit vielen Jahren ein Verteidiger der Menschenrechte und des Völkerrechts ist. Eine Tatsache, die in letzter Zeit durch die Anerkennung des Staates Palästina bewiesen wurde. Dies zeigt, dass die schwedische Regierung das Völkerrecht ernst nimmt und keine Doppelmoral duldet. Seit 2008 ist das Olof Palme International Center ein strategischer Partner, der uns bei der Ausbildung der zukünftigen Führungspersonen Palästinas unterstützt und sie darauf vorbereitet, aktive Bürgerinnen und Bürger in der Gesellschaft zu sein. Dieser Preis ist die Krönung dieser Partnerschaft. Und ich freue mich, diesen Preis mit Gideon Levi teilen zu dürfen, einer der wortgewandtesten Journalisten und eine mutige prophetische Stimme heute in Israel.

Exzellenzen, im nächsten Jahr wird Palästina den 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung gedenken, als das britische Reich unser Land für die Besiedlung freigab. Im Jahr 2017 jährt sich außerdem zum 50. Mal die Besetzung des Westjordanlands, des Gazastreifens und der Golanhöhen. Ich war fünf Jahre alt, als ich israelische Soldaten in der kleinen Stadt Bethlehem marschieren sah. In all diesen Jahren habe ich erfahren, was die israelische Besatzung unserer Gesellschaft antut. Ich konnte sehen, wie das gesamte Westjordanland anfing, immer mehr wie ein Stück Schweizer Käse auszusehen, bei dem Israel den Käse—das Land und seine Ressourcen—bekommt und die Palästinenser in die Löcher gedrängt werden.

Das erlebe ich in meiner eigenen Heimatstadt Bethlehem, wo 86% unseres Gebietes nicht von uns kontrolliert wird. Stattdessen wird es von jüdischen Siedlern kolonisiert, die kontinuierlich unsere Ressourcen, unsere Steine, unser Wasser und unsere Mineralien abbauen. Ich verfolge den Bau der Trennungsmauer, an der gerade im Cremisan-Tal weitergebaut wird. Nicht nur auf der grünen Linie, sondern auch im Hinterhof des allerletzten Hauses am Stadtrand, um die Erweiterung unserer Stadt zu verhindern. Als Pfarrer sehe ich, wie die Besetzung das Gewebe unserer Gesellschaft zerstört: eine Stadt, die sich nicht ausweiten kann, ist zum Sterben verurteilt, denn ohne Möglichkeiten zur Erweiterung durch neue Stadtteile können wir keine vernünftige Stadtplanung machen. Die kleine Stadt verliert ihren Charakter. Ohne Erweiterungsmöglichkeiten und ohne Bewegungsfreiheit wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen, was zu mehr sozialen Spannungen und mehr Kriminalität führt. Und mit Kriminalität kommen auch Drogen und Gewalt. Dies ist keine Naturkatastrophe, die vom Himmel fällt, sondern eine von Menschen verursachte Widrigkeit und eine systematisch geplante Katastrophe, die teilweise von der internationalen Gemeinschaft gebilligt und subventioniert wird.

Als Pfarrer, der in dieser kleinen Stadt lebt, frage ich mich immer wieder: Wie wird unser Volk überleben—körperlich, sozial, wirtschaftlich und geistig? Wie kann ich Menschen das Evangelium—die gute Nachricht—verkünden, wenn diese Menschen jeden Tag nur aufwachen, um eine weitere schlechte Nachricht zu hören? Die anhaltende Besatzung nimmt uns die Freiheit und das Recht, unsere Selbstbestimmung auszuüben. Es entmenschlicht unser Volk. Die Besatzung stiehlt nicht nur unser Land, sondern auch unsere Zukunft und die unserer Kinder. Sie beraubt unsere Kinder der Möglichkeit, in Würde und in Wohlstand zu leben. Die Besatzung zerstört unsere Seelen als Palästinenser, aber auch die Seelen der Israelis.

Uns werden jedoch nicht nur unsere politischen und wirtschaftlichen Rechte verweigert, sondern auch unsere kulturellen und religiösen Rechte: Uns wurde das Recht genommen, unsere eigene, eigenständige Erzählung zu haben, sowie das Recht, die Bibel mit eigenen Augen zu lesen und nicht immer durch eine eurozentrische Post-Holocaust-Linse. Ein Hauptproblem im heutigen Nahen Osten sind diejenigen Gruppen, die sich selber als Gottes Richter auf Erden berufen: sie denken, sie haben das Recht zu bestimmen, wer Kafer (Ungläubiger) ist und wer nicht, wer koscher ist und wer nicht. Im Namen der göttlichen Rechte verwehren sie uns gleiche Menschenrechte. Dazu gehören nicht nur islamistische Gruppen im Irak und in Syrien, sondern auch jüdische Gruppen in Israel, die in letzter Zeit Kirchen und Kloster angreifen. Aber es gibt auch christliche Zionisten, von denen es hier auch welche gibt, die diejenigen ihrer Mitchristen angreifen, die die israelische Besatzung in Frage stellen. Diese Menschen wollen unsere Stimmen zum Schweigen bringen. Sie wollen, dass wir die Besatzung als ein Geschenk Gottes und den von uns erlebten Landraub als die Erfüllung Gottes Versprechen ansehen.

Als christlicher Theologe muss ich betonen, dass es inakzeptabel ist, Menschenrechte im Namen der göttlichen Rechte zu verletzen oder Gott gegen den Menschen auszuspielen. Gruppen, die dies tun, missbrauchen die Heilige Schrift für ihre eigenen politischen Ideologien und unterscheiden sich nicht sehr vom ISIS. Die Heilige Schrift und die Menschenrechtscharta existieren aus demselben Grund: um die Sanftmütigen zu verteidigen, um die Rechte der Schwachen zu schützen, um den Mächtigen Grenzen zu setzen, und um sicherzustellen, dass das Reich die Gesetze einhält. Religion und Staat haben sicherzustellen, dass die Macht des Gesetzes und nicht das Gesetz der Macht herrscht; dass die Macht der Kultur und nicht die Kultur der Macht das letzte Wort hat. Keine Religion ist berechtigt, den Israelis mehr Rechte als den Palästinensern, Muslimen mehr Privilegien als Christen, oder Männern höhere Löhne als Frauen zu geben. Gleichheit ist nicht verhandelbar, und deshalb werden wir weiterhin das Konzept eines religiösen Staats widerstehen. Religiöse Staaten korrumpieren sowohl die Religion als auch den Staat: ein jüdischer Staat, ein islamischer Staat, oder ein christlicher Staat wird von Haus aus einen Teil der eigenen Bürgerinnen und Bürger diskriminieren. Der Staat hat alle seine Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der Gleichheit zu behandeln.

Der historische Schritt, den Schweden im Jahr 2000 in gegenseitigem Einverständnis machte, sorgte für ein gesünderes Verhältnis zwischen Kirche und Staat.

Wir sind mit diesen gewaltigen Herausforderungen konfrontiert und fragen uns seit langem: Sollen wir aufgeben, sollen wir uns unserem Schicksal fügen, sollen wir eine Theologie abnehmen, die uns diskriminiert, oder sollen wir das Land verlassen und irgendwo anders Asyl beantragen, abgeschnitten von unseren Wurzeln? Oder sollen wir uns in einen Mantel des religiösen Fundamentalismus hüllen und uns mit dem Gedanken trösten, dass im Himmel alles besser und anders für uns wird? Wir haben uns für keine dieser Möglichkeiten entschieden. Wir entschieden uns, zu bleiben. Wir entschieden uns, zu widerstehen, und zwar kreativ zu widerstehen. Wir widerstehen durch das Wort, in dem wir eine eigene Erzählung schaffen und eine dynamische Identität entwickeln. Wir entschieden uns, zu bleiben und uns dazu zu verpflichten, die Besatzung in Frage zu stellen, bis sie aufgelöst wird.

Wir entschieden uns, zu bleiben und beim Bau eines palästinensischen Staates mitzumachen, der Menschenrechte, internationale Verträge und Pluralismus respektiert. Wir entschieden uns, zu investieren: in Infrastruktur, durch den Bau einer neuen Universität und eines Kultur- und Kongresszentrums. Wir entschieden uns, zu bleiben und für unsere christliche Gemeinschaft zu sorgen, die Tag für Tag schrumpft. Wir entschieden uns, zu bleiben und die nächste Generation von palästinensischen Mitgestaltern auszubilden, die in der Lage sind, ihre Geschichte durch Kunst, Film, Tanz und Theater zu erzählen. Viele junge Menschen in Palästina haben heute kein Problem damit, an das Leben nach dem Tod zu glauben. Allerdings können sie kein lebenswertes Leben vor dem Tod sehen. Wir verpflichteten uns dazu, Platz für Hoffnung zu schaffen, damit unsere jungen Leute nicht davon träumen, für Palästina zu sterben, sondern für ihr Land und die Gemeinschaft zu leben. Wir wollten, dass sie weiterhin glauben, der Himmel und nicht die Mauer sei die Grenze. Wir wollten, dass sie aktive Bürgerinnen und Bürger werden, die sich in der Zivilgesellschaft einbringen und sich nicht davor scheuen, Verantwortung zu übernehmen.

Wir machten es zu unserer Lebensaufgabe, Hoffnung am Leben zu erhalten, weiterhin zu predigen, dass Frieden möglich ist, dass Israelis und Palästinenser nicht dazu verurteilt sind, für die Ewigkeit in Konflikt zu leben, sondern um das Land, die Ressourcen und die Zukunft zu teilen. Der Preis, den wir heute erhalten ist ein Anstoß, um diesen Weg fortzusetzen.

Vielen Dank an Schweden für das Festhalten am Völkerrecht und an Menschenrechten.
Vielen Dank an die Schwedische Regierung, dass Sie Worten Taten folgen ließen und Palästina anerkannten.
Vielen Dank an die Olof-Palme-Fund und an die Familie, dass Sie den Kurs und den Geist Olof Palmes am Leben erhalten.
Vielen Dank an meine Familie und meine Kollegen, dass wir eine so großartige Großfamilie und ein so starkes Team sind.
Vielen Dank an meine Freunde für eure stetige Unterstützung und Ermutigung!

Exzellenzen,
ich bin davon überzeugt, dass die Besatzung keine Zukunft hat. Ich habe keine Zweifel, dass die Gerechtigkeit kommen wird. Ich weiß, dass Frieden möglich ist. So dunkel wie es scheinen mag, werden wir für unseren Traum arbeiten, bis wir den Strahl, das Licht der Freiheit, sehen können. Und wir werden frei, frei, frei.

Vielen Dank für diese Ehre und für den Olof-Palme-Preis.

Übersetzung: Alexander Maier

2015: Pfarrer Dr. Mitri Raheb aus Bethlehem stellt sein neues Buch in Markt Schwaben vor:

"Glaube unter imperialer Macht"

Im Juni 2015 besuchte Pfarrer Dr. Mitri Raheb nach 2005 und 2009 zum dritten Mal Markt Schwaben und stellte vor über 100 interessierten Besucher/innen sein neues Buch vor: "Glaube unter imperialer Macht.

Bericht im Münchner Merkur, Ebersberg ...

Bericht im der Süddeutschen Zeitung, Landkreis Ebersberg ...

Vorbericht im Münchner Merkur, Ebersberg, Interview ...

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Fotos: Barbara Deller-Leppert, Karl-Heinz Fuchs

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Die Fünf C`s der Schule "Dar al-Kalima"

Creativity - Kreativität, Communication - Kommunikation, Christianity – Christliche Werte, Critical Thinking – Kritsches Denken, Commintment to our Palastinian Communitiy – Einsatz für unsere palästinensische Gesellschaft.


Interessantes im Internet

www.annadwa.org
Internationales  Begegnungszentrum Bethlehem, Evangelische Weihnachtskirche, Glaskunstwerke, Evangelische Schule „Dar al-Kalima“, Einrichtungen von Pfarrer Dr. Mitri Raheb, annadwa ist das arabische Wort für Begegnung

www.ochaopt.org
UN-Menschenrechts- Beobachtung, Karten zu Checkpoints und Mauer

www.machsomwatch.org
Berichte der Frauen der israelischen Organisation Machsom Watch (Roni Hammermann)

www.arij.org
Beobachtung der israelischen Kolonisierung (mit Satelliten- Fotos)

www.openbethlehem.org
Zur Mauer

www.gush-shalom.org
Israelische Friedensorganisation, Uri Avnery


Förderverein Bethlehem Akademie Dar al-Kalima

www.foerderverein-bethlehem.de

Über den Förderverein werden Spenden für Schule, Fachhochschule und andere Einrichtungen von Dar al-Kalima nach Bethlehem geleitet.

Spendenbescheinigungen: Adnan Nasser, Stuttgart, Mail: a.Nasser(at)online.de

EKK Stuttgart, BLZ 600 606 06, Nr. 419 478

1.Vorsitzender: Dekan Reinhard Tröster, Weikersheim, Mail: Reinhard_Troester(at)web.de

2.Vorsitzender: Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Greifswald, Mail: Abromeit(at)gmx.de

Prospekt von Dar al-Kalima als pdf-Datei ...


Presseartikel zum Besuch in Markt Schwaben:

Ebersberger Zeitung, 2.12.05

Ebersberger SZ, 2.12.05